Am heutigen Mittwoch rufen erneut mehrere Gewerkschaften in Berlin zu Streiks auf. Lehrer, Erzieher, Verwaltungsangestellte der Bezirke, sowie von Polizei und Feuerwehr fordern 10,5% mehr Gehalt. Aber sind Streiks heute noch das richtige Mittel im Arbeitskampf? „Nein!“, sagt Randy Witte von Bündnis Deutschland. „Heute wird nicht mehr gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen wie vor über 100 Jahren gestreikt. Nicht Großgrundbesitzer und Fabrikanten leiden unter dem Arbeitsausfall und müssen um Verluste fürchten. Heute sind die Berliner Bürgerinnen und Bürger die Leidtragenden. Die Vorstände von Bahn oder Lufthansa, die Stadträte und Senatoren bekommen weiterhin ihr Geld. Aber die Menschen aus Berlin kommen nicht zu Arbeit, müssen um ihren Job fürchten oder Erholungsurlaub nehmen, weil Schulen und Kitas dicht sind. Arbeitskampf auf Kosten Unbeteiligter ist auch nichts anderes als Klimakleben.“ Fakt ist, dass der Berliner Haushalt wie immer seine Mittel falsch eingesetzt hat und deswegen kein Geld für Lohnerhöhungen vorhanden ist. Fakt ist auch, dass durch Streik keine Schule schneller gebaut und kein Kitapersonal herbeigezaubert werden kann.
Ist Bündnis Deutschland gegen den gerechten Arbeitskampf? „Keineswegs“, ergänzt Witte. „Aber es muss überlegt werden, wie man im 21. Jahrhundert Arbeitskampf sinnvoll führt. Streik darf nicht das einzige Mittel sein. Ein runder Tisch zwischen den Verantwortlichen, Gewerkschaften und Mediatoren wäre ein Anfang. Wer kann wirklich etwas an der Situation ändern? Wie sehen Alternativen aus? Was können Arbeitnehmer tun, um zu überzeugen, statt zu erzwingen? Arbeitskampf kann auch in einem Gewinn für beide Seiten enden.“ Bereitschaft zu Verhandlungen gibt es grundsätzlich. Aber man muss auch das große Ganze sehen. Heute gehen Lohnerhöhungen und Preissteigerungen Hand in Hand. Eine Endlosspirale, bei der sich allerhöchstens der Finanzsenator freut. Und Arbeitskräftemangel gibt es in jeder Branche, da ändert ein Streik nichts dran. Der Fachkräftemangel wird sogar noch verschärft, wenn höhere Gehälter weniger Einstellungen zur Folge haben.
Und es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten im Arbeitskampf, gerade in der Verwaltung, z.B. den Bummelstreik oder Dienst nach Vorschrift. Bündnis Deutschland fordert ein Umdenken im Arbeitskampf, um diejenigen zu treffen, die etwas verändern können und nicht tausende Berliner in Geiselhaft zu nehmen. Gewerkschaften, deren einzige Daseinsberechtigung das Aufrufen zu Streiks ist, sind nicht mehr zeitgemäß. England ist da schon einen Schritt weiter und startete einen Versuch Mitarbeiter der öffentlichen Hand durch Teilhabe zu motivieren. Auch Berlin kann mehr als nur Streiks.