»Achtung, Achtung – hier ist Königs Wusterhausen auf Welle 2700.« Das waren die ersten Worte im deutschen Rundfunk. Der Äther übertrug die erste Testsendung auf Langwelle am 22. Dezember 1920 – es handelte sich um ein weihnachtliches Konzert. Dies war die technische Geburtsstunde des Rundfunks in Deutschland.
Dennoch gratulieren wir am heutigen 29. Oktober 2023 dem guten alten Radio zu seinem 100-jährigen Bestehen. An diesem Tag vor 100 Jahren wurde von den Alliierten das Verbot zum Abhören von Radiowellen aufgehoben und im Berliner Vox-Haus begann der offizielle Rundfunk in Deutschland für ein schnell immer größer werdendes Publikum.
100 Jahre schallen aus dir Musik, Nachrichten, Hörgeschichten und Interviews mit Gästen aus Alltag oder Prominenz. Deine analoge Arbeit begann im VOX-Haus, nahe dem Potsdamer Platz, und bist bis heute Begleiter beim Autofahren, beim Picknick, beim Frühstück, beim Arbeiten, beim Kochen oder auch beim Hausputz. Bist du doch die Zeitung, das Magazin fürs Ohr?
Doch dein Geburtstag brachte auch ein „Geschenk“ für die Bürger mit: die Rundfunkgebühr (heute -beitrag) wurde mit dir geboren, ist wohl dein Zwilling. Die erste „Gebühr”, die 1924 erhoben wurde, betrug 60 Renten-Mark fürs Jahr.
Meistens hast du deinen Auftrag, wertungsfrei und ohne ideologische Propaganda zu senden, nicht erfüllen können. Bist oft missbraucht worden für die Zwecke weniger. Heute gibt es in Deutschland Meinungsfreiheit und in der Regel hältst du dich daran. Die ursprüngliche Intention wurde 1923 so formuliert:
„Einem freudlosen Volk sollte Anregung und Freude gebracht werden, hochstehende Vorträge aller Art sollten unterhalten – der geistigen Verarmung der Bevölkerung entgegengewirkt werden, für Zerstreuung sorgen, die Arbeitsfreude steigern.“
Seitdem hat sich die Hoffnung in den Rundfunk in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg und mit Gründung der Bundesrepublik sogar noch erheblich gesteigert. Ein gebührenfinanzierter Rundfunk, staatsunabhängig, aber nicht privatwirtschaftlich organisiert nach dem Vorbild der BBC des Vereinigten Königreiches Großbritannien. Es wurde von den westalliierten Besatzungsmächten begleitet. Bereits vor der Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 wurden sechs autonome Landesrundfunkanstalten in Westdeutschland eingerichtet. Freie und unabhängige Berichterstattung sollte zur “Reeducation” und zum Aufbau einer demokratischen Öffentlichkeit beitragen. Nach der wiederhergestellten Einheit Deutschlands kamen weitere Landesrundfunkanstalten dazu. Privatrechtlicher Rundfunk wurde erst 1955 zugelassen. Das Internet wurde als weiteres Verbreitungsmedium zu Rundfunk und Fernsehen einbezogen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich nun im 100. Jahr seiner Existenz zu einem wahren Imperium entwickelt. Ausgewogenheit, Unabhängigkeit und auch finanzielle Verhältnismäßigkeit sind die Themen unserer Zeit. Es hilft nur noch ein mutiger Umbau, unabhängige Gremien und eine radikale Verschlankung. Bei aller Feierlaune können wir das nicht unter den Tisch fallen lassen.
Du kommst zu uns auf die altmodische Art über den Äther oder auf verschiedene andere Trägermedien aus der Wand. Für fast jeden Geschmack, jede Gelegenheit und jedes Thema hast du ein wertvolles Angebot für uns parat. Ob Podcasts, Internet-Radio, Audio-Streaming, DAB (digital audio broadcast/ digitales Radio) oder eben doch wunderbar analog, mit Störgeräuschen wie früher.
Danke dafür und auf weitere viele 100 Jahre.

Weitere Quellen:
Deutsches Rundfunkarchiv · »Hier ist Königs Wusterhausen auf Welle 2700« · Link
Deutschlandradio · Vom Knistern zum Streamen · Link
rbb · 100 Jahre Radio in Bildern · Link
Museum für Kommunikation Frankfurt · ON AIR. 100 Jahre Radio · Link
Deutschlandfunk Kultur · Erste Oper erobert den Äther · Link
bpb · Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: von der Gründung der ARD bis heute · Link